Workshop Juli 2022

An den Online-Workshops schätze ich für mich selbst am meisten, daß ich einfach herumspielen kann, je nach Lust und Laune. Manchmal sind die Projekte aufwändiger und schlucken eine ganze Menge Zeit und Material, manchmal sind es recht schnelle Minis, bei denen ich mich dann mehr auf Techniken konzentriere und wenn es mich überkommt und ich einfach mal kreativ eskalieren möchte, dann geht Ihr das auch mit. Das ist so großartig!! Habe ich Euch in der letzten Zeit eigentlich gesagt, wie dankbar ich bin, daß ich das mit Euch machen darf? Und daß es mich jeden Monat wieder erstaunt, daß Ihr mit so einem Feuereifer dabei seid? Ernsthaft: wie geil ist das?

Ich werde ziemlich oft gefragt, wie ich eigentlich immer auf diese ganzen Ideen komme. Das ist so unterschiedlich: es kann das Material sein, das mich inspiriert, oder ich habe einfach beim Ausprobieren von Dingen plötzlich ein Bild vor Augen, das ich umsetzen muss. Und was auch ziemlich oft vorkommt, ist, daß ich hier zu Hause an meinen Regalen voller Minis vorbei gehe und denke, daß man dies oder jenes unbedingt mal wieder oder mal anders machen müsste. Es kann zum Beispiel passieren, daß ich auf meine Sammlung gucke und dann denke, daß man doch auch mal diese Bindung mit diesem Format und jener Seitengestaltung ausprobieren könnte. Der Vorrat ist so groß, daß die Kombination der verschiedenen Ideen und Techniken sich unendlich oft neu variieren lassen könnte!

Das Juli-Album war so ein Projekt. Ein Album mit solch einem Guckfenster im Cover habe ich vor einigen Jahren mal für einen Workshop in München vorbereitet, aktuell stehe ich total auf Minis im Hochformat und die Bindung hatte ich erst ein einziges Mal gemacht und wollte sie unbedingt noch ein bißchen verbessern. Et voilá: Fertig war der Workshop!

Also, daß hier die Ideen ausgehen, die Gefahr besteht glaube ich nicht… ;-) Und ich bin echt sehr froh, daß ich auf diese Weise aus meinem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen kann! Zum Einen ist das mein Kapital, das ich mir über die Jahre erarbeitet habe, zum Anderen stehe ich überhaupt nicht so sehr auf das, was viele oft vorschlagen, wenn jemand auf der Suche nach Inspiration ist: Instagram, Pinterest und Co sind alles feine Sachen. Aber mich überfordern diese Formate total. (Auch ein Grund dafür, daß ich mir in den letzten Wochen mal ganz frech eine großzügige multimediale Pause gegönnt habe.)

Ganz im Ernst: Pinterest zum Beispiel nutze ich dann, wenn ich eine Idee ausgebrütet habe und mal recherchieren muss, ob das vielleicht schonmal jemand Anderes ersonnen hat. Die prallen Ordner mit zehnunddrölfzig Projekten, die man irgendwann in diesem Leben dringend auch mal ausprobieren muss, die habe ich schon vor Jahren gelöscht. Zeitverschwendung. Mache ich ja doch nicht. Und dieses Gewackel von einer Milliarde bewegten Bildern bei Insta macht mich völlig kirre! Ich habe Anfang des Jahres mal ein paar Videos dort gepostet und ging mir damit nach kürzester Zeit selbst auf den Keks, also habe ich das dann wieder gelassen.

Es ist nicht so, daß das Netz nicht voll wäre von abertausenden tollen Ideen, die es wert wären aufgegriffen zu werden. Ganz im Gegenteil! Ist es nicht der helle Wahnsinn, was Menschen so alles Schönes erschaffen? Aber mein persönliches Problem dabei ist, daß ich innerhalb weniger Minuten Gehirnverstopfung bekomme, weil so viel Information wie man geballt serviert bekommt, meinen Denkapparat total überfordert und ich damit das genaue Gegenteil von dem erreiche, was ich eigentlich wollte. Gebt mir eine Stunde mit Pinterest und ich bin definitiv für die nächsten drei Tage nicht mehr kreativ.

Das wird vermutlich vielen Menschen nicht so gehen, sonst würden diese Plattformen ja nicht so erfolgreich sein. Aber für mich ist das nicht der Weg, um den kreativen Prozess in Gang zu bekommen. Ich benötige einfach viel weniger Tempo, damit ich Zeit habe, die Bilder, die in meinem Kopf aufplöppen, auch bewusst wahrzunehmen und zu sortieren oder auch weiter zu denken. Mir helfen da vor allem Ruhe und Zeit. Und Ordnung!

Ich glaube, man redet nicht ohne Grund von kreativem Chaos… Wenn ich an einem Projekt gearbeitet habe, ist mein Arbeitsbereich hinterher grundsätzlich ein Schlachtfeld! Also nicht nur meine Schreibtische, sondern alles: der Fußboden voller Konfetti, aufgerissene Schubladen und Boxen, Stapel von Dingen auf den Stühlen, die umzufallen drohen, wenn man sie nur schief ansieht. Ehrlich: Ich bin so eine Bastel-Sau!! Und ich liebe es. Mein Reich – meine Regeln. Aber um dann wieder in einen neuen kreativen Flow zu kommen, hilft es mir, ein Lieblingslied in Dauerschleife anzumachen und den Bastelkeller wieder auf Werkseinstellungen zurück zu setzen. Das löst den Knoten im Kopf und dann kann das Spiel wieder von vorn beginnen.

Also, das Hirn nicht mit zu vielen Bildern zu verstopfen ist die eine Sache. Der andere wichtige Baustein, der mir hilft, meine Kreativität auszuleben, ist das ständige Wiederholen von Basics. Quasi wie der Pianist, der seine Etüden zum Warmwerden spielt oder der Tänzer, der sich immer wieder mit seinen Grundschritten befasst. Das Beherrschen der Basics, also der Grundtechniken, und das stetige Üben und auch Verbessern genau dieser Fähigkeiten ist natürlich nichts, was man schnell mal eben erzwingen kann. Also klar, man kann natürlich das Eine oder Andere Trainingslager absolvieren, aber wirkliche Erfahrung kann man nur über die Zeit erlangen.

Ein paar von Euch wissen das vielleicht: Als Teenager und in meinen frühen Zwanzigern war ich mal eine richtige Sportskanone und habe viel Zeit und Schweiß auf dem Parkett gelassen. Und ich erinnere mich noch ziemlich genau, daß unser Trainer uns mal sagte, daß man, um einen Schritt (!) – also nix vonwegen Posen, Folgen oder Ähnlichem – zu perfektionieren, ihn 10000x getanzt haben müsste.

Was bin ich froh, daß wir nicht so oft das Falzbein ansetzen müssen, um es vernünftig zu verwenden… :-))) Jedenfalls dachte ich damals, daß der Typ das doch nicht ernst meinen könnte? Und heute denke ich mir, ja verdammt! Du hattest Recht.

Daß es mir mit dem Papierhobby nicht um Perfektion sondern viel mehr um die Freude am Machen geht, das wisst Ihr ja. Aber die grundsätzliche Idee hinter der Aussage meines Trainers teile ich zu 100% – wenn man nämlich nicht mehr darüber nachdenken muss, in welchem Winkel man den Arm heben oder den Fuß schieben muss, um die Optik zu erzielen, die man zeigen möchte, ist es viel einfacher, sich mit neuen Choreographien oder schwierigeren Schrittfolgen zu befassen. Und trotzdem haben wir jede Trainingsstunde mit Grundschritten begonnen.

Und das ist hier nichts Anderes. Natürlich finde ich es richtig cool, wenn ich ein besonders anspruchsvolles Projekt so fertigstellen konnte, daß es dem Bild vor meinem inneren Auge ähnlich sieht. Trotzdem mag ich auch immer wieder ganz schlichte Dinge zaubern oder ohne ein eigentliches Ziel / Projekt einfach mal Papier schieben, Notizbücher binden oder Stempelmotive ausmalen, die für immer in meinem Block bleiben und nie den Weg auf eine Karte finden werden. Zum Einen aus Spaß an der Freude, zum Anderen als Übung und als Anschubser für neue Ideen.

Ich muss manchmal ein bißchen schmunzeln, wenn ich zum Beispiel bei live-Workshops Aussagen höre wie: „bei Dir sieht das aber irgendwie anders aus“ oder „bei Dir sieht das immer so leicht aus“. Ja verdammt! Ich habe meinen doofen Schritt aber wirklich schon mindestens 5000x vor dem Spiegel getanzt. Das wäre ja Mist, wenn da nicht eines Tages eine gewisse Routine erkennbar wäre, oder? *lach*

Es ist Jahre her, da bekam ich mal eine Mail von einer, die sich an einem meiner Anleitungsvideos versucht hatte, die ich damals für Dani gemacht habe. Darin stand, daß sie alles so gemacht hätte, wie von mir beschrieben, aber es würde einfach nicht funktionieren und entsprechend wäre meine Anleitung scheiße. Das hat mich damals ganz schön getroffen, das muss ich zugeben, aber ich habe dann mal den Tonfall außen vor gelassen und nachgefragt, was denn genau das Problem sei? Daraufhin bekam ich abermals zu lesen, daß die Anleitung schlicht unbrauchbar sei, sie hätte ja schließlich schon reichlich Erfahrung in dem Bereich, weil sie hatte ja schon drei Alben in ihrem Leben gebunden.

Kein Witz. DREI! ;-)

Was sich mir bei dieser Konversation aber ins Gedächtnis gebrannt hat, sind zwei Erkenntnisse.

Erstens: Man kann nicht jeden retten. Manche Leute wollen einfach nur unreflektiert motzen und sind gar nicht an Lösungen oder Hilfsangeboten interessiert. Das piekst die ersten drei Male ein bißchen am Ego, aber dann lernt man damit umzugehen.

Zweitens: Wenn ich zu kompliziert denke, oder mir Projekte einfallen, die mehr als durchschnittliche Fingerfertigkeit erfordern, publiziere ich sie nicht mehr. Also habe ich damals nicht. Denn am Ende ist es dann wirklich so, daß ich zu doof zum Erklären bin und das ist keine gute Werbung. Um Anleitungen oder Onlineworkshops so rüber zu bringen, daß möglichst viele Leute damit wirklich etwas anfangen können, muss es mir möglich sein, einzelne Arbeitsschritte so zu verbalisieren oder zu zeigen, daß es auch jemandem mit weniger Erfahrung möglich ist, der Sache zu folgen. Und das – tadaaaa! – funktioniert natürlich auch wieder besser mit dem guten Mix aus Erfahrung und Kreativität.

Äh, ja… jetzt bin ich thematisch gerade irgendwie eskaliert und habe überhaupt kaum etwas zum Juli-Mini erzählt. Egal – Bilder sind ja grundsätzlich schon was Feines, auch, wenn ich hier anfangs darüber gesprochen habe, als seien sie die absoluten Ideenkiller. Sind sie natürlich nicht, gut dosiert konsumiert ist visuelle Inspiration natürlich etwas Tolles. Oder wie funktioniert das bei Euch? Erzählt mal, das würde mich sehr interessieren.

Und wenn Ihr jetzt vielleicht Lust auf genau diesen Workshop bekommen habt – schreibt mich gerne jederzeit an.

Ich werde jetzt mal meinen Keller aufräumen…

Kreativsüchtig

Ich freue mich immer über ein paar liebe Worte von Dir!